Rostock/Schwerin: Mecklenburg-Vorpommern ist offenbar voller potenzieller Unternehmer und Unternehmerinnen: Nahezu jeder bzw. jede Zweite im Land traut sich zu, ein Start-up zu gründen. Mit Ausnahme von Brandenburg, Bremen und Hessen sind nirgends sonst in Deutschland die Menschen so von ihren Gründungsfähigkeiten überzeugt wie an der Ostseeküste. Das geht aus dem Global Entrepreneurshiop Monitor 2022 hervor.
Aber: Den Mut für ein Start-up bringen der Studie zufolge nur die wenigsten auf. Nur 2,3 Prozent der Gesamtbevölkerung in MV hat im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021 gegründet. Mecklenburg-Vorpommern ist damit Schlusslicht im Bundesländer-Ranking. Zum Vergleich: Beim Spitzenreiter Hamburg ist die Gründerquote mehr als dreimal so hoch.
Um zumindest ein Hemmnis - Geldmangel - auszumerzen, gibt's eine Finanzspritze aus öffentlicher Hand: Die in Schwerin ansässige GENIUS Venture Capital GmbH finanziert innovationsgetriebene Technologieunternehmen in der Gründungs- und frühen Wachstumsphase und verwaltet den Venture Capital Fonds im Auftrag des Landeswirtschaftsministeriums. Im Topf sind bzw. waren 15 Millionen Euro. Ein Teil davon ist bereits in die Startup-Szene geflossen. "Mit den verbleibenden Mitteln werden wir schwerpunktmäßig unser bestehendes Portfolio weiterentwickeln und unsere Start-ups über weitere Finanzierungsrunden begleiten. Wir haben aber trotzdem die Möglichkeit, in neue ausgewählte Start-ups zu investieren und so die Gründerszene in MV zu beleben", sagt Genius-Chef Uwe Bräuer.
Geld und fachlicher Input für Start-up-Gründer
Im Gegenzug für das Risikokapital bekommt Genius Unternehmensanteile. Im Portfolio stehen Start-ups unterschiedlichster Branchen. Die GmbH ist unter anderem an Innocent Meat aus Papendorf (Fleisch aus dem Bioreaktor), Framework Robotics aus Rostock (modulare Unterwassersysteme) und Planet V aus Rothenklempenow (vegane Fertiggerichte, ehemals "Lunch Vegaz") beteiligt. Auch Hidden Champions haben die Schweriner schon unterstützt, zum Beispiel die auf Poel ansässige Prophyta, die heute zu den Weltmarktführern im Bereich bioloigsche Pflanzenschutzmittel gehört.
Gut 150 Anfragen trudelten bislang bei Genius ein. Geld gibt's pro Jahr nur für zwei, drei davon, sagt Genius-Beteiligungsmanager Martin Schwarz. "Wir sagen sehr oft Nein." Grund: Neben Geld steuert die VC auch fachlichen Input bei. Dafür soll Zeit bleiben.
Teams kommen leichter an Risikokapital
Wie gewinnt man Genius? Indem Start-ups bestimmte Kriterien erfüllen. Das Unternehmen muss seinen Sitz oder zumindest wesentliche Betriebsteile in MV haben und technologieorientiert sin. Überzeugendstes Argument für ein Investment seien aber die Gründenden selbst, sagt Schwarz. Sie müssten zum einen von sich und ihrer Idee überzeugt sein und zum anderen mit ihrem Geschäftsmodell ein Problem potenzieller Kunden lösen, sprich marktrelevant sein. "Wir suchen Persönlichkeiten, die Durchhaltevermögen haben und groß und international denken."
Bräuer ergänzt: "Der Schlüssel zu uns ist das Team." Solopreneure hätten dagegen kaum Chancen. Die, die um eigene Stärken und Schwächen wüssten und sich fehlendes Know-how ins Start-up holen, können bei Genius punkten. "Wer sich nur Mitschwimmer ins Team holt, geht unter."
Doch auch das vielversprechendste Start-up kann leer ausgehen: Fünf Millionen Euro in ein Unternehmen buttern - das gibt der Fonds nicht her, sagt Bräuer: "Wir beteiligen uns mit bis zu 1,5 Millionen Euro pro Start-up." Anschlussfinanzierungen sind aber möglich und üblich.
Privatinvestoren steigen mit ein
Genius ins Boot zu holen, kann sich doppelt auszahlen, denn die GmbH wirkt als Gütesiegel: Gibt sie Geld, ziehen oft Privatinvestoren nach und sind auch bei Folgefinanzierungsrunden dabei. "Bei 13 Erstfinanzierungen haben wir aus dem Venture Capital Fonds 4,4 Millionen Euro eingesetzt und zu dem Zeitpunkt 1,9 Millionen Euro private Mittel dazugeholt. Bei 18 Folgerunden sind wir mit 4,1 Millionen Euro im Spiel, von Privatinvestoren kommen schon 7,4 Millionen Euro," rechnet Bräuer vor. 140 Geldgeber hat Genius bislang für Start-ups in MV gewonnen. So soll es weitergehen. "Ein Euro von uns soll drei Euro von privater Seite akquirieren. Das ist das Ziel."
Quelle: Ostseezeitung, 12. Juli 2022, Autor: Antje Bernstein