SCHWERIN Industrie 4.0 im Warenlager und am Produktionsband: Intelligente Software aus Schwerin soll künftig für einen reibungslosen Materialfluss und Gütertransport in Deutschlands Wirtschaft sorgen. Privatkunden können schon seit Langem nach dem Einkauf im Internet den Transport ihrer Ware online nahezu in Echtzeit verfolgen. Jetzt soll auch die Sendungsverfolgung in Deutschlands Industrie perfektioniert werden – mit Hilfe künstlicher Intelligenz aus Schwerin. Die neue mecklenburgische Technologiefirma Evertracker hat dazu eine Software entwickelt, mit der Produzenten künftig über den Versandstand ihrer Zulieferungen für die Produktion informiert werden könnten. Bisherige Lösungen hätten vor allem die Optimierung der Abläufe in der Logistikbranche im Blick gehabt und seien an der mangelnden Transparenz in der gesamten Lieferkette gescheitert, meinte Firmenchef Marc Schmitt: „Es fehlt an Planbarkeit für die Produzenten.“ Mit der neuen Plattform aus Schwerin könnten hingegen die Produzenten und Händler Teile, Lieferungen und Produkte besser im Blick behalten. Mit Hilfe von Algorithmen seien sie durch die Analyse der Lieferketten in der Lage, Verzögerungen in Echtzeit zu erkennen. So könnten Unternehmen von Abweichungen nicht erst erfahren, wenn sie von ihren Dienstleistern benachrichtigt würden oder Teile fehlten. Statt die Produktion wegen fehlender oder verzögert gelieferter Teil zu drosseln oder gar zeitweise auszusetzen, könnten die Produzenten früher auf Engpässe und Störungen in der Lieferkette reagieren. „Das optimiert die Produktion und verringert Lagerbestände“, ist Schmitt überzeugt – und spart den Unternehmen Kosten. Bei Lieferverspätungen könne die Schweriner Software neue Ankunftszeiten voraussagen, ohne lange Abstimmungen mit den Dienstleistern.
Seit mehreren Jahren hat das zuvor in Hamburg angesiedelte Software-Start-up an der intelligenten Sendungverfolgung entwickelt. Jetzt soll die Plattform auf den Markt gebracht werden, kündigte Schmitt an. Für das für die Markteinführung notwendige Kapital hat sich Evertracker in einer weiteren Finanzierungsrunde neue Investoren ins Boot geholt. So haben sowohl private Geldgeber als auch die Schweriner Beteiligungsgesellschaft Genius Venture Capital ihr Kapital aufgestockt. Genius hat sich mit einem vom Wirtschaftsministerium bereitgestellten 15-Millionen-Fonds bisher an neun Technologiefirmen beteiligt. Das Beteiligungskapital des Landes zieht an: Ein Drittel der Technologiefirmen habe sich mit den Beteiligungen auch in Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt, erklärte Genius-Chef Uwe Bräuer. Die Unterstützung von technologieorientierten Unternehmen besitze seit Jahren hohe Priorität, meinte Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU). Die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovationen sei daher in dieser Förderperiode auf Grund des hohen Bedarfs bereits um 50 Millionen Euro aufgestockt.
Die Schweriner Entwickler, die u. a. mit dem Deutschen Exzellenz-Preis ausgezeichnet wurden, haben sich in den vergangenen Jahren auch international einen Namen gemacht. So gehörte Evertracker 2018 zu den weltweit ausgesuchten 500 Start-ups, die an einem Logistikprogramm im weltweit bedeutendsten Standorte der IT- und Hightech-Branche im Silicon Valley teilgenommen hatten. „Intelligente Lösungen wie die von Evertracker helfen global agierenden Unternehmen dabei, mit Unsicherheiten und wachsender Komplexität besser umzugehen“, begründete Bräuer den Einstieg. Neben der Technologie habe vor allem die Kompetenz des Gründerteams überzeugt. Andere auch: Zu den Kunden von Evertracker gehören namhafte europäische Unternehmen, insbesondere Automobilhersteller, Einzelhändler, Vertreter der Bauwirtschaft und Zulieferer. Weitere kommen hin: „Der Logistikmarkt ist ein wichtiger Zukunftsmarkt“, ist Schmitt, der auch Mitglied der Logistikweisen der Bundesregierung ist, überzeugt: „Ohne Logistik bewegt sich heute nichts mehr. Gleichzeitig steht die Branche noch immer ganz am Anfang der Digitalisierung.“ Das verspricht gute Geschäfte: So gehen Schätzungen davon aus, dass der Analyse-Markt für Lieferketten in den kommenden Jahren zweistellig wachsen werde – auf weltweit knapp zehn Milliarden US-Dollar.
Quelle: Schweriner Volkszeitung, 28. März 2020, Autor: Torsten Roth