Privatinvestoren stecken Millionen in Kunstfleisch-Technologie aus Rostock

Das Rostocker Start-up Innocent Meat treibt die Forschung für Fleisch aus dem Labor voran. Für Technologie aus Mecklenburg startet jetzt in die Pilotphase.

ROSTOCK – Fleisch aus der Petrischale auf dem Mittagstisch: Das Rostocker Start-up Innocent Meat treibt die Entwicklung von kultiviertem Fleisch voran, das auf von Tieren gewonnenen Zellen basiert, die anschließend kultiviert und mit Wachstumsfaktoren pflanzlichen Ursprungs zu einem Fleischstück in einem Bioreaktor heranwächst. Die gemeinsam mit der Uni Rostock vorangetriebene Entwicklung tierischer Stammzellen für die Produktion von kultiviertem Fleisch habe das Labor verlassen, erklärte Firmenchefin Laura Gertenbach: „Jetzt steigen wir in die Pilotphase ein. Ein entscheidender Schritt Richtung Markteintritt.“

Damit werde es möglich, den Herstellungsprozess künftig im größeren Maßstab zu testen. Inzwischen sei eine wichtige Hürde auf dem Weg zu einer realistischen Alternative für die Herstellung von Fleisch genommen. Bisher waren in den Bioreaktoren im Labor wöchentlich maximal zwei Kilogramm Fleisch herstellbar. Die Rostocker Entwickler arbeiten an einem automatisierten Fertigungssystem, das es künftig jedem Verarbeiter ermöglichen soll, im eigenen Werk kultiviertes Fleisch selbst herzustellen. Dabei werde zunächst unter anderem aus einem Gewebestück aus der Skelettmuskulatur eines Tieres Stammzellen isoliert, die anschließend in einem Bioreaktor in einem Nährmedium vermehrt werden. Die Entwicklung sei binnen weniger Jahre gelungen, sagte Gertenbach: „Ein Meilenstein.“

Hackfleisch, später auch Würstchen oder Steaks aus Fleischmasse aus dem Bioreaktor: Für die Rostocker ist ihr Firmenname Innocent Meat Konzept – Fleischgenuss ohne Reue. Ihre Idee: Traditionellen Fleischverarbeitern einen reibungslosen Übergang zu kultiviertem Fleisch zu ermöglichen und mit der Produktion von zellbasiertem Fleisch die Abhängigkeit von der traditionellen Landwirtschaft zu überwinden.

Damit kann das Fleisch aus dem Bioreaktor auch eine Alternative werden, um künftig klimagerechter zu produzieren, zu können. Angesichts von Klimabelastung, wachsender Weltbevölkerung und zunehmender Kritik an nicht immer gewährleistetem Tierwohl ein Zukunftsthema, hatte Gertenbach seinerzeit die Entwicklung begründet. „Kultiviertes Fleisch hat noch einige Herausforderungen zu bewältigen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit unserem Geschäftsmodell einen wesentlichen Beitrag zur Lösung des drängenden Problems der Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit sicherem, bezahlbarem und nachhaltigem Fleisch leisten können“, hatte die Firmenchefin gegenüber dem Wirtschaftsmagazin vegconomist erklärt.

Die Rostocker Technologie lässt die Fachwelt und Kapitalgeber aufhorchen: Das zehn Mitarbeiter zählenden Innocent-Meat Team hat inzwischen für ihre Technologie zwei Patente erhalten und drei weitere angemeldet. Erst vor wenigen Wochen ist ein weiterer privater Investor eingestiegen und hat zusammen mit der mit Landesgeld finanzierten Schweriner Beteiligungsgesellschaft Genius Venture Capital (GVC) das Finanzengagement ausgebaut. In dieser Finanzierungsrunde war es gelungen, mit einer halben Million Euro aus dem vom Land bereitgestellten Risikokapitalfonds zusätzlich 2,5 Millionen Euro privates Kapital einzuwerben. Zudem haben die Rostock auch in einem Forschungsaufruf für alternative Proteinquellen vom Bundesagrarministerium den Zuschlag für Staatshilfen von 470.000 Euro erhalten.

Damit könnten die vorhandenen Biokomponenten weiterentwickelt, die Pilotanlage Stück für Stück erweitert und Zertifizierungsverfahren eingeleitet werden, teilte Innocent Meat mit. Ab dem zweiten Halbjahr solle beispielsweise zusammen mit einem Kooperationspartner aus dem Markt eine Fleischrohmasse entwickelt werden, die sich zur Herstellung von Würstchen eignen soll.

Der Förderkurs greift: Mittlerweile sind Unternehmen aus dem von der GVC im Auftrag des Landes verwalteten Venture Capital Fonds MV bei 42 Erst- und Folgefinanzierungen mit 11,3 Millionen Euro unterstützt worden – ein Anreiz für private Investoren, weitere 15,8 Millionen Euro in den betreffenden Start-ups zu stecken.

Quelle: Schweriner Volkszeitung, 15.04.2024, Autor: Torsten Roth