PIANOO-Test: Halbestunde – Klavier-App mit Noten-Scan & Lernfunktionen

Mit dem Smartphone Noten fotografieren und abspielen – das ist nur eine der nützlichen Funktionen der Halbestunde-App. Halbestunde bietet clevere Lern- und Übungsfunktionen für iOS- und Android-Mobilgeräte. Halbestunde ist ein nützliches Tool nicht nur für Einsteiger, sondern auch für Notenjunkies und Klavierlehrer*innen.

 

Mit der Halbestunde Klavier-App geht scheinbar ein Traum in Erfüllung: Die App verspricht, jedes beliebige Notenblatt in klingende Musik umzuwandeln. Einfach mit dem Smartphone fotografieren und schon ist das Ganze sogar als Piano-Lesson spielbereit.

Das Konvertieren von Noten in MIDI-Noten gibt es bereits seit einiger Zeit – und man kann es sogar umsonst nutzen mit z.B. Musescore. Man scannt dafür die Noten ein, importiert sie als Grafikformat (pdf, jpg etc.) in ein Notensatz-Programm, um dort im digitalen Format weiter damit zu arbeiten. In den letzten Jahren hat sich auf diesem gebiet viel getan, und inzwischen sind die Ergebnisse tatsächlich passabel. Die Halbestunde-Klavier-App sollte man allerdings nicht auf den Noten-Scanner reduzieren – Halbestunde ist viel mehr als das und eher eine Übungs- und Lern-App, die auch Notenblätter importieren und konvertieren kann.

Warum Noten scannen?

Wie schon oben beschrieben liegt der Vorteil darin, dass man die Noten in ein digitales Format überführt, welches dann weiter bearbeitet werden kann. In einem Notensatzprogramm kann man so z.B. ein Stück je nach Bedarf in andere Tonarten transponiert ausdrucken. Ebenso ist es – in Grenzen – möglich, die Notation abspielen zu lassen. Letzteres ist gerade für Klavier-Anfänger oder Wiedereinsteiger praktisch. Denn Stücke allein über Klaviernoten zu erschließen, ist erst einmal gar nicht so leicht. Hilfreich dagegen ist, wenn man sich Klaviermusik, die man gerne spielen lernen möchte, beim Einstudieren anhören kann. Bei Lehrbüchern mit Übungen und Notenbeispielen z.B. kommt die Halbestunde-Klavier-App wie gerufen.

Wie funktioniert die Halbestunde-App?

Nicht mehr als ein paar Minuten dauert es, eine Notation als Musikstück wiedergeben zu lassen. Alles, was man dafür tun muss: Man macht ein Foto vom Notenblatt – den Rest erledigt die Halbestunde-Klavier-App von ganz allein. Allerdings braucht man dazu eine Online-Verbindung, denn eine KI erledigt die Konvertierung. Nach dem Scan schaltet die Halbestunde-App gleich in den Übungsmodus und ist spielbereit. Dann muss man nur noch das Play-Symbol antippen und die Wiedergabe beginnt. Dabei werden die Noten synchron zur Wiedergabe im oberen Teil des Displays dargestellt, während darunter die virtuelle Tastatur zu spielen beginnt.

Klavier üben mit Halbestunde

Die Handhabung ist top: Gut strukturiert und völlig selbsterklärend. Man kann praktisch sofort loslegen. Die Wiedergabe des elektronischen Piano-Sounds der App wirkt etwas ausdruckslos, aber selbst damit ist Halbestunde eine große Hilfe, da man sich zumindest das Stück ja anhören kann. Darüber hinaus bietet Halbestunde aber noch ein paar Features, welche die Piano-Lern-App als nützliches Tool zum Klavierüben machen. Zunächst lässt sich ein Metronom zuschalten und das Tempo variieren.Eine tolle Funktion nicht zuletzt auch für den Klavierunterricht ist die Transposition. Man verschiebt dabei über einen Regler die Tonhöhe in Halbtonschritten, und die Notation und Wiedergabe folgen sogleich. Ebenso praktisch ist eine Aufnahmefunktion synchron zur Notation. Außerdem kann man die Wiedergabe für beide Hände, aber auch für linke und rechte Hand getrennt aktivieren. Das kann eine Unterstützung sein, wenn man z.B. nur die Melodie der rechten Hand einstudieren und üben möchte, während die Begleitung als Playback zugespielt wird.

Schade, dass man hier nicht die Balance zwischen linker und rechter Hand einstellen kann. Das Problem: Die Noten werden immer mit gleichbleibender Anschlagstärke gespielt – daher der wie oben erwähnt ausdruckslose Klang. Das kann man verschmerzen, denn man möchte ja lediglich eine Idee davon bekommen, wie die Noten im Zusammenhang klingen. Wenn aber in der Begleitung z.B. vollgriffige Akkorde gespielt werden, dann übertönen diese die Melodie.

Klavier lernen mit Halbestunde

Wer keine Noten zur Hand hat, kann auf ein Archiv mit unzähligen Spielstücken zurückgreifen. Hier gibt’s eine große Bandbreite zwischen Flohwalzer (einfach) und A Night In Tunesia (schwer) von Dizzy Gillespie. Das Archiv ist unterteilt nach Klassik, Jazz und Pop. Songs lassen sich für mehr Übersichtlichkeit in der eigenen Library speichern, auch in geänderter Form mit Hilfe der zusätzlichen Übungsfunktionen. Im Klassikbereich vermisse ich hier die typischen Übungsstücke aus der Klavierliteratur von Burgmüller, Czerny etc.

Halbestunde für Klavierlehrer*innen

Selber eingescannte Noten – es kann wirklich beliebiges Notenmaterial sein – lassen sich im User-Account speichern und immer wieder aufrufen. Darüber hinaus bietet die Halbestunde Klavier-App aber noch tolle Export-Möglichkeiten, die für Musiklehrende bei der Vorbereitung und Bearbeitung von Unterrichtsmaterial eine wertvolle Hilfe sein können. Wurden die importierten Noten  – per Scan, PDF oder Bilddatei – in das Übungsformat übersetzt, dann lässt sich das Ganze als PDF, als MIDI- oder als XML-Datei exportieren. Letzteres ist die Voraussetzung für den Import in Notations- und Sequenzer-Programme.

Halbestunde-Klavier-App im Praxistest

Gleich der erste Testlauf mit einer Übung aus Wolfgang Wierzyks Lehrbuch Smart Piano funktioniert auf Anhieb perfekt. Beim zweiten Test haben wir ein komplexeres Klavierstück genommen: Chopins Mazurka Op. 67 No. 4 – auch das funktionierte gut, allerdings mit zwei kleinen Fehlern: 8tel-Triolen wurden zwar zusammengefasst dargestellt, aber ohne die kleine „3“ im Triolen-Bogen. Außerdem wurde eine Synkope unterschlagen. Aber man muss dazu sagen, dass wir es der App auch ein bisschen schwerer gemacht haben: Die Qualität des Ausdrucks war okay, aber war nicht wirklich toll.

Generell werden Artikulationszeichen bei der Konvertierung im Moment noch ignoriert. Also ein Forte oder Pianissimo kann Halbestunde nicht darstellen bei der Wiedergabe. Bei unserer umgewandelten Mazurka zeigte sich das so, dass die Triolen nicht richtig abgespielt und Triller in dem Stück völlig ignoriert wurden. Der Entwickler informiert allerdings, dass man für ein nächstes Update der App bereits an der Implementation von Artikulationen arbeite. Bindebögen und damit eine Basisfunktion der Artikulation werden allerdings korrekt umgesetzt.

Beim Fotografieren der Noten muss man auf ein paar Kleinigkeiten achten: Optimale Voraussetzungen dafür, dass die App die Notation auch gut verarbeiten kann, sind ein gleichmäßiges Ausleuchten der Papiervorlage. Vor allem aber der Winkel der Kamera – möglichst gerade von oben – ist wichtig. Je besser die Qualität der Notenvorlage, desto exakter die Umsetzung. Handschriftliche Notenblätter hingegen lassen sich zwar importieren, es führt aber zu eher bescheidenen Ergebnissen. Aber das ist für andere Noten-Scan-Anwendungen auch ein Problem.

Was kostet Halbestunde?

Wer viel Klavier übt und nach Noten spielt, wird einen hohen Nutzwert in der App entdecken. Hier lohnt die Anschaffung, die über ein Abo-Modell gut eingestuft ist. Im Jahr kostet Halbestunde ca. 49,- EUR. Wenn die App nur ab und zu mal gebraucht wird, ist der monatliche Betrag von 9,90 Euro absolut angemessen. Schließlich bekommt man einen guten Service. Wer hingegen die App für immer nutzen möchte, bekommt die Lifetime-Version für 99,- EUR.

Verbesserungswünsche

Die App hat sich in den letzten 1-2 Jahren prima entwickelt, selbst während unseres Tests kam ein Update mit Detailverbesserungen heraus. Neben den bereits erwähnten Artikulationszeichen und der Balance-Regelung für linke und rechte Hand würde ich mir noch zwei Dinge wünschen:

1. Besserer Klavierklang: Der Sound erfüllt ohne Zweifel seinen Zweck, klingt aber etwas blechern. Man kann auf die anderen Sounds der Palette ausweichen, z.B. Posaune oder Gesang, was ganz lustig klingen kann. Toll wäre es, wenn man die Wiedergabe auf eine andere App wie z.B. e-Instruments Pure Piano oder Korg Module leiten könnte.

2. Die Halbestunde-App funktioniert auf Android- und iOS-Geräten, getestet haben wir auf iPhone und iPad. Beides funktionierte gut, selbst auf dem Smartphone kommt man mit der limitierten Notendarstellung gut zurecht. Beim Smartphone weniger, dafür beim Tablet umso störend ist der Wechsel zwischen Vertikal- und Horizontal-Darstellung von Übungs- und Mediathek-Ansicht.

Fazit: Praktisches Tool zum Klavierüben und -lernen

Klasse! Die Halbestunde-App kann deutlich mehr als man zunächst vermuten würde. Der Notenscan ist schon auch der Kick dieser toll gemachten Piano-App – aber längst nicht alles. Vor allem überzeugt die Halbestunde-App als Gesamtkonzept mit Lern- und Übungsfunktionen sowie einem Notenarchiv und Exportfunktionen für MIDI und XML. Einfach mit dem Handy Klaviernoten fotografieren und die App macht daraus eine Piano-Lesson – das ist sensationell.

Den Artikel auf der PIANOO-Homepage findet sich hier:https://pianoo.de/test/halbestunde-klavier-app/