Fleisch fast ohne Tierleid

Rostocker Start up entwickelt Technologie zur Herstellung von kultiviertem Fleisch aus der Petrischale.

Essen für den Klimaschutz: Das Rostocker Start up Innocent Meat forciert die Entwicklung einer Technologie zur Herstellung von kultiviertem Fleisch aus der Petrischale, das künftig die CO2-Belastung der Fleischproduktion deutlich reduzieren soll. Zur Finanzierung der aufwendigen Forschung hat das Hightech-Unternehmen der beiden Firmengründer Laura Gertenbach und Patrick Nonnenmacher jetzt neue Kapitalgeber ins Boot geholt. Neben einem Privatinvestor ist die mit Landesgeld finanzierte Schweriner Beteiligungsgesellschaft Genius Venture Capital (GVC) in das Unternehmen eingestiegen. Damit könnten jetzt die im Frühjahr 2021 begonnenen Laborarbeiten deutlich verstärkt werden, kündigte Gertenbach an. Das Vorhaben sei angesichts der wachsenden Weltbevölkerung, zunehmender Klimabelastung und nicht immer gewährleistetem Tierwohl eines der wesentlichen Zukunftsthemen, begründete Genius-Chef Uwe Bräuer den Einstieg.

Die 37-Jährige Gertenbach und ihre Geschäftspartner haben großes vor: Sie wollen in Kooperation mit der Universität Rostock zunächst ein Herstellungsverfahren für Hackfleisch zum Einsatz bei traditionellen Lebensmittelherstellern entwickeln. Dazu würden von Tieren Stammzellen gewonnen, die anschließend kultiviert würden und in einem Bioreaktor zu Fleisch heranwachsen sollen – umweltfreundlicher als konventionelles Fleisch und fast ohne Tierleid erzeugt. Zum Einsatz kämen Wachstumsfaktoren pflanzlichen Ursprungs und nicht wie herkömmlich aus Kälberserum. Dafür würden Ackerpflanzen verwendet, die weltweit angebaut würden, so Gertenbach. Um welche Pflanzen es sich genau handelt sei noch ein Betriebsgeheimnis. Für 33 000 Tonnen Fleisch wären z.B. Pflanzen von 300 Hektar Ackerfläche notwendig, um die erforderlichen Wachstumsfaktoren herzustellen. Noch sei die Herstellung der Wachstumsfaktoren für die Großproduktion zu teuer. Die Rostocker wollen nun kostengünstigere Technologien entwickeln.

Das künstliche Fleisch solle in seiner Struktur und im sensorischen Profil dem herkömmlichen Fleisch gleichstehen. Noch stehe die Entwicklung am Anfang. 2024 solle die Technologie einsatzfähig sein und eine Demonstrationsanlage bei Fleischverarbeitern aufgebaut werden. Das ist nicht billig: Für die Entwicklung seien mehrere Millionen Euro veranschlagt, erklärte Gertenbach und kündigte weitere Finanzierungsrunden zur Suche nach Kapitalgebern an. Zunächst solle mit der Herstellung von Schweinehack begonnen werden, später auch mit Steaks. Das Verfahren könne künftig aber auch für die Produktion von zellbasiertem Rinder- und Hühnchenfleisch, möglicherweise auch für Fisch verwendet werden. Der Aufwand könnte lohnen: Experten gehen davon aus, dass der Marktanteil von In-vitro-Fleisch bis 2040 auf 35 Prozent steigen wird – auf weltweit insgesamt 630 Milliarden Dollar. „Wir wollen helfen, den traditionellen Lebensmittelhersteller auf zellbasierte Produktion umzustellen“, sagte Gertenbach. Angesichts des Klimawandels brauche es neue Verfahren. „Man kann nicht alle grün ernähren“, meinte sie. Die Agrarflächen reichten dazu nicht aus. „Ich möchte, dass es auch in Zukunft noch Fleisch gibt“, sagte Gertenbach. Sie esse gerne, aber bewusst Fleisch. Ersatzprodukte, beispielsweise auf Sojabasis, seien für sie wie eine „gewürzte Ackererbse“ und keine nachhaltige Alternative für Fleischesser. Das saubere Fleisch aus der Petrischale sei geschmacklich mit herkömmlich produziertem Fleisch vergleichbar.

Die Rostocker Fleischforscher gehören zu den inzwischen 13 Start ups in Mecklenburg-Vorpommern, denen die Kapitalgeber von Genius mit dem mit 15 Millionen Euro vom Wirtschaftsministerium ausgestatteten Venture Capital Fonds bei der Anschubfinanzierung helfen. Der vom Land finanzierte Fonds ermögliche es, junge Firmen über mehrere Finanzierungsrunden zu begleiten, sagte Genius-Chef Bräuer.

Quelle: Schweriner Volkszeitung, 12. Juni 2021, Autor: Torsten Roth