Intelligenz im Rohrsystem: In Zeiten zunehmender Wasserknappheit geht ein Startup aus MV weltweit auf Lecksuche in den Wassernetzen. Ein von dem jungen Unternehmen Pydro in Rostock-Warnemünde entwickeltes neuartiges smartes Sensorsystem mit integrierter Turbine zur eigenen Stromversorgung kommt inzwischen in Italien und Griechenland zum Einsatz. Die ersten knapp 20 Installationen seien mittlerweile ausgeliefert worden, erklärte Firmenchef Mulundu Sichone. Nach ersten Tests bei Versorgern in Italien seien weitere Systeme geordert worden.
Auch in Frankreich und Australien kämen bereits einige Systeme zum Einsatz. Geliefert wurde ebenso schon in die USA, nach Asien sowie nach England und Irland. In Deutschland stoße die Entwicklung aber noch auf Zurückhaltung, sagte Sichone. Dabei kämen auch heimische Versorger um die in der Wasserstrategie der EU geforderte weitere Digitalisierung ihrer Netze nicht herum.
Rostocker Entwicklung produktionsreif
Mehr als sechs Jahre hatten die beiden Firmengründer Miguel Linares und der ehemalige Maschinenbaustudent der Uni Rostock Sichone an der Entwicklung gearbeitet. Jetzt sind sie kurz vor dem Ziel: In den kommenden Monaten solle das System weiter optimiert und sowohl im In- als auch Ausland Vertriebspartner gesucht werden. In den ersten Wochen des kommenden Jahres wollen die Rostocker dann in die Serienfertigung einsteigen, kündigte der Firmenchef an.
Der ursprünglich Jahre früher angekündigte Produktionsbeginn hatte sich wegen langer Zertifizierungsverfahren und einer aufwendigen Kapitalsuche verzögert. „Jetzt ist das System produktionsreif“, meinte Sichone. Mit ihrem System mischen die Rostocker ganz vorn mit: Mit der Technologie ließen sich Verluste im Wassernetz deutlich reduzieren, erklärte Sichone. Durch Lecks in den Rohrsystemen gingen täglich große Mengen Wasser verloren. Alte Netze, gebrochene Leitungen, Leckagen im Rohrnetz: Schätzungen zufolge versickerten weltweit im Schnitt 30 Prozent ungenutzt, u. a. in Italien gar 40 Prozent.
Erst im April hatte beispielsweise in Berlin ein Rohrbruch zum Ausfall der Wasserversorgung für Tausende Haushalte geführt. Vor allem aber sorgten täglich überall im Land viele kleinere Leckagen im Netz für große Verluste. Mit der in MV entwickelten Technologie ließen sich künftig Lecks schneller finden und Schäden beispielsweise durch Unterspülungen von Straßen vorbeugen.
Smartes Sensorsystem statt Horchgerät
Die Rostocker haben dazu ein energieautarkes System entwickelt, das durch eine vom Wasserfluss angetriebene Turbine den notwendigen Strom zur Versorgung der Sensoren produziert, eine Datenerfassung in Echtzeit und die Übertragung in die Leitstellen ermöglicht. Dazu werde der Durchfluss gemessen und so festgestellt, an welcher Stelle im Rohrsystem Verluste auftreten.
Es ließen sich eine Vielzahl von Daten gewinnen, die zur vorbeugenden Instandsetzung und intelligenten Steuerung der Netze genutzt werden könnten. Die Sensoren würden einen Einblick in geschlossene Netze geben. Statt mit Horchgeräte aufwendig die Lecks im Rohrsystem zu suchen, könne die Sensortechnik schnell und sehr präzise die Fehlstellen orten.
Qualitätskontrolle im Wassernetz
Bisherige Systeme stießen da häufig an Grenzen. Die Durchflussmessgeräte seien oft batteriebetrieben oder müssten mit großem Aufwand ans Stromnetz angeschlossen werden, erläuterte Sichone. Mit den Batteriesystemen könnten zudem auch nur geringere Datenmengen übertragen werden.
Pydro treibt die Entwicklung indes weiter voran: Neben der Fehlersuche könne das Sensorsystem auch zur Qualitätskontrolle des Wassers im Leitungsnetz eingesetzt werden. Damit lasse sich beispielsweise Sabotage, wie sie im vergangenen Sommer an zwei Bundeswehrstandorten in Deutschland vermutet worden war, schneller aufdecken.
EU-Spitzenförderung für Rostocker Technologie
Die Entwicklung findet in der Wasserbranche und bei Investoren Beachtung: Es gebe eine Reihe von Interessenten, meinte Sichone: „Der Markt will digitaler werden.“
Auch in der EU setzt man auf die Technik aus MV: Mit einer millionenschweren Förderung habe die EU-Fördergesellschaft European Innovation Council Pydro als einziges Unternehmen in MV in die Förderung besonders innovativer Projekte aufgenommen. Zudem habe Brüssel mehr als eine Million Euro Beteiligungskapital zugesagt. Auch private Geldgeber glauben an die Technologie: Gerade erst konnte Pydro nach eigenen Angaben eine weitere Finanzierungsrunde abschließen und frisches Kapital bei privaten Investoren wie beispielsweise einen auf Wassertechnologie spezialisierten Fonds aus den Niederlanden einsammeln.
Landesbeteiligungen laufen aus
Von Anfang an auch dabei: Die Schweriner Beteiligungsgesellschaft Genius Venture Capital (GVC), die Pydro neben Kapital mit Know-how und Kontakten bei der Entwicklung des Geschäftsmodells und den Aufbau der Firma aktiv unterstützt hat. Der Ankerinvestor hat sich in dieser Runde allerdings zum letzten Mal beteiligt, teilte GVC-Chef Uwe Bräuer mit.
Genius hatte in den vergangenen Jahren eine Reihe von Technologiefirmen im Land mit Risikokapital aus dem vom Land mit 15 Millionen Euro ausgestatteten Venture Capital Fonds mit Anschubfinanzierungen geholfen. Damit ist jetzt Schluss. Der Fond sei ausfinanziert, sagte Bräuer. Es stehe kein weiteres Kapital zur Verfügung.
Quelle: Nordkurier, 23.05.2025, Autor: Torsten Roth