Notfall-Wundverband im Wartestand

„SpeedM®“stillt minutenschnell selbst stärkste Blutungen – doch um Leben zu retten, fehlt der Neubrandenburger Innovation noch die Zulassung

Siegfried Kruse hat die Anfragen nicht gezählt. „Aber jede Woche kommen neue“, versichert der CEO der Speed Care Mineral GmbH aus Neubrandenburg, „die ersten haben uns bereits eine Woche nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine erreicht.“ Es sind in erster Linie Krankenhäuser und Hilfsorganisationen, die sich an den Medizinproduktehersteller in der Viertorestadt wenden, aber auch ukrainische Ärzte, die mittlerweile hier in Deutschland leben und praktizieren, aber noch Verbindungen in die Heimat haben. Ihr Interesse gilt „SpeedM®“, einer von dem Neubrandenburger Unternehmen entwickelten innovativen Wundauflage, die auch stärkste Blutungen innerhalb kürzester Zeit stoppen kann. Diese Minuten könnten im Ernstfall nicht nur beim Transport eines Schwerverletzten zur Notaufnahme lebensrettend sein, sondern auch im militärischen Einsatz, betont Siegfried Kruse.

Gleich zwei Komponenten machen die Wirkung von „SpeedM®“ aus: ein perforiertes Vlies als Trägermaterial und das mit einem speziellen Verfahren in ultrafeiner Körnung darauf aufgebrachte Mineral Halloysite. „Die Mineralverbindung hat aufgrund ihrer morphologischen Struktur eine sehr große reaktive Oberfläche“, erläutert Kruse. Dadurch werde die natürliche Gerinnungsreaktion des Körpers unterstützt, auch starke Blutungen in Notfallsituationen könnten so schnell und zuverlässig gestoppt werden. „Normal sind acht bis zehn Minuten, mit unserer Wundauflage steht die Blutung nach zwei bis drei Minuten, wird zusätzlich Druck ausgeübt, dauert es sogar weniger als eine Minute.“ Die jeweils 3,7 Meter langen und 7,5 cm breiten Vliesstreifen würden gefaltet und steril verpackt nicht mehr als 30 Gramm wiegen, so der Firmenchef. Das Produkt sei unkompliziert zu transportieren und zu lagern, es müsse nicht gekühlt werden und sei sofort einsatzfähig, rührt er für „SpeedM“ die Werbetrommel.

Doch noch fehlt mit der europäischen Zulassung ein gewichtiges Detail: Ohne CE-Zertifizierung darf in Europa kein Medizinprodukt auf den Markt gebracht werden. Das Neubrandenburger Unternehmen hatte den Antrag zwar schon vor zwei Jahren gestellt. Doch dann trat im Mai 2021 die neue europäische Verordnung über Medizinprodukte – kurz „Medical Device Regulation“ – in Kraft, die neue, höhere Anforderungen stellt. Sie zu erfüllen, sei zwar aus Sicht des Neubrandenburger Unternehmens kein Problem, betont CEO Kruse. Was das Verfahren aber enorm erschwere, sei der Umstand, dass es jetzt europaweit statt bislang 100 nur noch rund 25 „benannte Stellen“ gibt, die die Zertifizierung vornehmen dürfen – ein echter Flaschenhals, so Kruse, den im Übrigen auch all jene Medizinprodukte noch einmal durchlaufen müssten, die bereits vor der Rechtsänderung zugelassen worden waren.

Das Neubrandenburger Unternehmen rechnet nun für 2023 mit einer europaweiten Zulassung seiner Wundauflage – im regulären Verfahren. „Eine Notfallzulassung oder zumindest eine beschleunigte Zulassung würden jetzt sehr helfen“, betont Siegfried Kruse, der dabei vor allem an die Versorgung von Kriegsverletzten in der Ukraine denkt. „Wir könnten sofort eine Million Stück im Jahr produzieren lassen“, betont er. Noch ist das Produktionsvolumen sehr viel geringer, denn Abnehmer haben die Neubrandenburger vorerst nur auf dem asiatischen Markt. „Wir könnten uns theoretisch auch noch um eine Zulassung in Amerika bemühen – aber das ist letztlich auch eine Kostenfrage“, so der CEO. Wobei er im gleichen Atemzug auch er[1]klärt: „So schwer die Zulassung ist, so gut klappt die Finanzierung.“ Die SpeedCare Mineral GmbH se weise mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert worden. Das, aber auch die Auszeichnungen, die sie bereits mehrfach für ihre Entwicklung bekommen haben – unter anderem im „Ideenwettbewerb Gesundheitswirtschaft“ des Landes – habe sehr zum Renommee der Speed Care Mineral GmbH beigetragen.

Vor allem aber macht sich das 2017 gegründete Unternehmen selbst bekannt, beispielsweise auf der Internationalen Militärmesse in Düsseldorf, der Arab Health in Dubai – oder an diesem Mittwoch auf der „Ship to Business“ im Rahmen der Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft in Rostock. Internationale Partner würden ihnen dabei immer wieder vermitteln, dass „Made in Germany“ nach wie vor einen ausgezeichneten Ruf besitzt, erklärt Siegfried Kruse. „SpeedM®“ erfülle dieses Kriterium: Zwar seien sechs externe Partner in die Produktion eingebunden, alle hätten aber ihren Sitz in Deutschland.

In der Speed Care Mineral GmbH selbst, die gerade einmal fünf Mitarbeiter hat, wird bereits an Weiterentwicklungen des Notfall-Wundverbandes gearbeitet. Ob in der Leberchirurgie, bei der Versorgung von Dialyse oder geriatrischen Patienten: Für schnelle Blutstillung gebe es noch eine ganze Reihe weiterer Einsatzfelder. „Der zivile Markt birgt ein zehnmal größeres Einsatzpotenzial als der militärische“, ist der Firmenchef überzeugt. Perspektivisch soll es die Wundauflage zum Beispiel auch als Pflaster geben. Und in absehbarer Zeit soll sie sogar resorbierbar werden, sich also selbst auflösen können.

Quelle: Schweriner Volkszeitung, 16. Juni 2022, Autorin: Karin Koslik