Dos und Don’ts bei der Investorenansprache: Wie junge Start-ups Wagniskapitalgeber von sich überzeugen

Wagniskapital ist für Start-ups ein wichtiger Baustein, wenn sie schnell zur Marktreife gelangen und skalieren wollen. Doch bevor Gründer einen Venture Capital-Geber ansprechen, sollten sie ein paar Dinge beachten – sonst wird es ein sehr kurzes Gespräch.

Early Stage-Investoren sind – wie es der Begriff bereits sagt – typischerweise die ersten institutionellen Geldgeber für Start-ups. Insbesondere in der Seed-Phase, bei der die Umsetzung der Unternehmensidee und die Produktentwicklung im Fokus stehen, müssen wir als Investor mit einem besonders hohen Maß an Unsicherheit umgehen. Das Unternehmen befindet sich mitten im Aufbau, das Produkt ist noch nicht fertig, die ersten Umsätze sind häufig noch nicht in Sicht. Deshalb liegt unser Fokus – neben technologischen und innovativen Aspekten – stark auf dem Gründerteam und dem Geschäftsmodell.

Team, Team, Team
Eher abschreckend auf Investoren wirken ausschließlich produktverliebte Unternehmensgründer, die sich weder über ihren Zielmarkt noch über ihre potenziellen Kunden vorab gründlich informiert haben. Wenn dieser Malus dann auch noch mit sogenannten Killerphrasen wie zum Beispiel „Finanzplanung ist doch wie Glaskugelschauen!“ oder „Wir haben keinen Wettbewerb!“ überspielt wird, haben wir ein Problem. Wir brauchen ausgeschlafene und entwicklungsfähige Leute, die aus einer guten Idee oder Technologie ein Unternehmen mit Marktpotenzial bauen können. Der Erfahrung nach haben Teams deutlich bessere Chancen als klassische Einzelkämpfer, die Vielzahl an Herausforderungen erfolgreich zu meistern und am Markt zu reüssieren. Im Rahmen der Team Due Diligence achten Investoren bei den Gründern neben praktischer Branchenerfahrung, Ausbildung und bisherigem Werdegang darauf, dass sich das Team möglichst komplementär aufstellt. Die Teamzusammensetzung wird dabei durch die anstehenden Aufgaben im Unternehmen bestimmt. Doch natürlich muss auch die Chemie untereinander stimmen; Ansichten und Zielvorstellungen sollten möglichst in die gleiche Richtung gehen.

Die Frage nach dem Geschäftsmodell
Neben dem Team beschäftigen wir uns intensiv mit dem angedachten Geschäftsmodell des Start-ups. Eine Technologie oder eine gute Geschäftsidee allein schaffen schließlich keine Werte – das Unternehmen benötigt ein nachhaltiges Geschäftsmodell. In diesem Zusammenhang stellen Investoren im Wesentlichen immer wieder dieselben Fragen: Welchen Nutzen stiftet das Unternehmen? Wie wird das Produkt beziehungsweise die Leistung für den Kunden hergestellt? Wie will das Unternehmen Geld verdienen? Wer bezahlt? Das mag auf den ersten Blick vielleicht etwas trivial wirken – am Ende entscheidet jedoch die Qualität der Antworten mit über die Zusage für eine Finanzierung und letztlich auch über den Unternehmenserfolg.

Skalierungspotenzial und Exit-Chancen
Neben smarten Lösungen für relevante Kundenprobleme mit starken Alleinstellungsmerkmalen achten Venture Capitalists bei Geschäftsideen auf ein großes Skalierungspotenzial in einem expandierenden, möglichst globalen Markt. Das Start-up sollte seine Zielkunden und seinen Wettbewerb im Detail kennen, Kostenbewusstsein demonstrieren und – ganz wichtig – auch an die Exit-Chancen für die Investoren denken. Letzten Endes ist die Zusammenarbeit mit einem Venture Capital-Geber nämlich eine Partnerschaft auf Zeit, und der Investor verdient seine Rendite erst durch den Verkauf seiner Anteile.

Stimmigkeit unabdingbar: Roadmap und Finanzplanung
An Bedeutung eher etwas verloren hat für uns ein ausformulierter Businessplan. Wir können mit einem strukturierten und durchdachten Pitch-Deck gut leben, wenn auf Anfrage ergänzende Informationen nachgereicht werden. Einen sehr genauen Blick werfen wir auf die Roadmap des Unternehmens. Hier sollten die wesentlichen Meilensteine und die wichtigsten Aufgabenpakete in den Bereichen Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Marketing sowie Organisation für die nächsten drei Jahre abgebildet werden. Wichtig ist Investoren dabei, dass die Roadmap mit der Finanzplanung korrespondiert, die wiederum alle wesentlichen Kostenpositionen enthalten und den Kapitalbedarf realistisch abbilden sollte.

Tipps zur Investorenansprache
Noch ein paar Hinweise für die erfolgreiche „Investorenjagd“: Mit der Kapitalbeschaffung sollte frühzeitig begonnen und dafür mindestens sechs bis neun Monate eingeplant werden. Auch wenn Zeit bei einem Start-up immer knapp ist, sollte sie für die Verhandlungen mit Investoren nicht ausschlaggebend sein. Außerdem basiert das Venture Capital-Business - bei allen Prüfungen, Modellrechnungen und Szenarioanalysen - am Ende im Wesentlichen auf Vertrauen, und das muss erst wachsen. Verzichten sollten Start-ups bei der Kontaktaufnahme auf unpersönliche Rundschreiben. Bei der Vielzahl von Anfragen landen solche E-Mails schnell im virtuellen Papierkorb. Überhaupt sollte sich jedes Start-up zunächst fragen, welche Art Investor zum Unternehmen passt und vice versa. Wagniskapitalgeber ist nicht gleich Wagniskapitalgeber – sie fokussieren unterschiedliche Unternehmensphasen, Branchen oder geografische Regionen. Schließlich sollten sich Start-ups von kritischen Anmerkungen im Austausch mit dem Venture Capitalist nicht zu sehr verunsichern lassen. Stattdessen gilt es, den Ball aufzunehmen, nachzuarbeiten und schnell zu liefern.

Fazit
Wir haben großen Respekt vor jedem, der den Mut und die Energie aufbringt, seine Ideen in die Tat umzusetzen. Unsere Aufgabe als Investor ist es aber, die Geschäftsideen und Gründer mit großem Potenzial zu finden, um sie gemeinsam erfolgreich weiterzuentwickeln. Deshalb verstehen wir Wagniskapital auch viel mehr als Chancenkapital.

Quelle: VentureCapital Magazin Sonderausgabe "Start-up 2020: Zündende Ideen", 31. Oktober 2019, Autor: Martin Schwarz